Überprüfe deine Geschäftsidee - Ist sie überlebensfähig? Mit Beispiel ChatGPT

08. Feb. 2023

photo-1429041966141-44d228a42775Photo by Modestas Urbonas / Unsplash

Du träumst davon, deine eigene Software zu entwickeln, aber weißt nicht, ob sie sich auch lohnt? Am besten hast du bereits einen Lean Canvas erstellt. Oder du möchtest direkt wissen, ob die Idee auch deinen Geldbeutel füllen kann? Damit du dir und deinen Haustieren auch mal was leckeres gönnen kannst?

Dann schauen wir uns das doch heute mal gemeinsam an.

Es ist Zeit für die Simulation!

Zum Einstieg gibt es etwas Kontext:

Bei jeder neuen Software Entwicklung gibt es mindestens drei unschlagbare Kritieren, die du für eine erfolgreiche Entwicklung brauchst.

Die 3 klassischen Kritieren sind:

  • Desire = Verlangen "Menschen interessieren sich nicht für deine Lösung. Sie interessieren sich für ihre Probleme und wie Sie diese lösen können." => Also stelle sicher, dass du ein echtes Problem gefunden hast, welches sich lohnt zu lösen!
  • Viable = Überlebensfähig Ist das Projekt deine Zeit wert? Kann das neue Produkt deine Erwartungen erfüllen? Letzlich geht es darum, dass das Geschäftsmodell für dich funktionieren kann.
  • Feasible = Umsetzbar Heute lassen sich die meisten technischen Probleme lösen. Falls deine Idee eine Ausnahme ist, wirst du es sicher bereits wissen.

Alle Faktoren zielen darauf ab, dass du diese Frage beantworten kannst:

Nur weil wir könnten, sollen wir es auch umsetzen?

Dafür nutze ich gerne noch den Faktor Nachhaltigkeit, aber dazu kommen wir bei einer anderen Gelegenheit.

Starte die Simulation mit dem Beispiel ChatGPT

Um die Methode direkt an einem Beispiel kennen zu lernen, habe ich etwas gewählt, was du "vielleicht" kennst. An praktischen Beispielen kann man am schnellsten lernen.

Für neue Software sollte man zu Beginn einige Tests oder Simulationen ausführen. Mit diesen können wir bewerten, ob die Idee sich auf dem Papier beweisen kann.

Nur gute Ideen auf dem Papier, sollte man weiter bearbeiten. Wenn in der Simulation was schief geht - sollte man auch keine Brücke bauen.

Ps. Brücken werden vorher auf Belastung, etc. getestet.

Der erste und wichtigste Test prüft das Verlangen der Nutzer. Das können wir kurz halten. ChatGPT hat es geschafft in einem Monat 100 Millionen Nutzer zu begeistern. Davon konnte es bereits nach 5 Tagen die erste Hürde von 1 Millionen knacken - Wow, das ist ein neuer Rekord. Die erfolgreichsten Apps erreichen immer schneller höhere Nutzungszahlen. Während es für Instagram noch 2.5 Jahre gedauert hat um 100 Millionen aktive Nutzer zu erreichen, so hat TikTok in 9 Monaten geschafft. Und ChatGPT in 5 Tagen. Alles wird schneller.

Man hört und liest überall darüber, wie viel Zeit oder Kosten man damit sparen könnte. Es entstehen zahlreiche neue Geschäftsmodelle.

Das Verlangen können wir also schnell abhaken. Scheint vorhanden zu sein. 🔥 ✅

Wie man das für nicht so klare Beispiele bestimmt, werde ich in den nächsten Wochen zeigen.

Simulation Nr. 2 Viable - Überlebensfähig

Für den zweiten Simulations Test schauen wir uns die wichtigsten Kennzahlen an. Die Rechnung dafür soll möglichst einfach sein.

Viele neigen hier dazu, das Modell zu kompliziert zu berechnen. Es entstehen schnell mächtige Excel Tabellen, die die Wahrheit verstecken. Hier und da 3 bis 4 Zahlen verändern und schon kommt das gewünschte positive Ergebnis raus.

Ganz am Anfang von der Idee hat man noch keine genauen Vorstellungen. Das ist kein Problem, es wird sich mit der Zeit ein immer klareres Bild ergeben. Mit jedem neuen Messwert können wir unsere Inputs verbessern - Build, Measure, Learn at its best!

Schaut mal in das Buch Lean Startup rein, wenn ihr die Anspielung nicht versteht. Oder Kommentiert den Artikel - dann hab ich eine Idee was dir noch helfen könnte. :)

Warmup: Wie groß ist dein Ziel?

Als erstes musst du dir überlegen, wohin du eigentlich mit deiner Idee kommen willst. Dafür stellst du dir ein persönliches finanzielles Ziel auf, was du mindestens erreichen willst - damit du es einen Erfolg nennen würdest.

Richtig, das Ziel ist total persönlich und ein Indiehacker, der durch die Idee sein eigenes Leben finanzieren will - hat ein anderes Ziel als ein mittelständisches Unternehmen.

Ohne weitere Hinweise dauert das zu lange - aber wir wollen ja schnell auf ein Ergebnis kommen. Deshalb nutzen wir die Regel "Power of Ten", d.h. also wir schätzen alle folgenden Zahlen nur in Form von 10er Potenzen.

Hier sind einige Beispiele, die du verwenden kannst:

  • $10^5 = 100.000$ € im Jahr: Ein schönes Leben für dich & deine Familie
  • $10^6 = 1$ Mio € im Jahr: So könntest du schon ein kleines Team aufstellen. Das wäre passend, wenn du mit 3-5 Personen zusammen arbeiten willst
  • $10^7 = 10$ 10 Mio € im Jahr: Als Indiehacker: Du meinst es wirklich ernst und schaust dich vermutlich bald nach Venture Capital um. Als Unternehmer: Du willst ein eigenständiges Team einsetzen & willst den Bereich deutlich ausbauen.
  • $10^8 = 100$ Mio € - keine weitere Erklärung notwendig.

Für ChatGPT: Ich gehe stark davon aus, dass OpenAI das Ziel auf etwa 100 Mio € setzen würde.

Schritt 1 - Wie groß sind meine Kunden?

Hast du schon eine Idee, was der angedachte Preis für deine Software ist? Auch hier hilft es mit der Power Of Ten zu starten.

Suche dir einfach die passende Größe der Kunden aus den Archetypen für Kunden aus:

Wie viel jährliche Einnahmen bekommst du für jeden Kunden? (ARPA)

  • 🪰 Fliegen: 10 € 
  • 🐁 Mäuse: 100€
  • 🐇 Hasen: 1000 €
  • 🦌 Rehe: 10.000 €
  • 🐘 Elefanten: 100.000 €
  • 🐳 Wale: 1 Mio €

Für ChatGPT: Die Zielgruppe ist sehr divers - Gerüchten zu Folge sollte das Abo etwa 42$ im Monat kosten, das wären 504$ im Jahr. In 10er Potenzen würde ich aber vermuten, dass es sich trotzdem eher um Mäuse handelt (100€ pro Jahr.) Damit es möglichst viele User hat, die eigene Lösungen darauf aufbauen und so die Gesamtmarke OpenAI stärken und voranbringen.


Schritt 2 - Wie viele Kunden?

Nachdem wir wissen wie viel ein Kunde uns im Jahr bringt, können wir schnell bestimmen wie viele Kunden wir benötigen für unser Ziel.

Für einen Jahresumsatz von 100 Mio. benötigen wir 1 Mio Mäuse.

Schritt 3: Wie groß ist der Markt?

Bevor wir nun das Ergebnis auswerten können, brauchen wir noch einen Vergleichswert. Dafür schauen wir uns kurz an wie groß der Markt von ChatGPT ist.

Welche Zielgruppe hat ChatGPT?

Puh, schwierig.

Das sind ja fast alle Menschen. Zumindest die mit Internet.

Ich hab dazu bei ChatGPT selbst nachgefragt - leider wenig hilfreich in dem Fall:

Es ist schwer, die genaue Größe der Zielgruppe für ChatGPT zu schätzen, da sie weltweit und branchenübergreifend ist. OpenAI, das Unternehmen hinter ChatGPT, arbeitet mit vielen großen Unternehmen zusammen und hat eine wachsende Community von Entwicklern und Forschern, die das Modell nutzen. Es ist jedoch unmöglich, eine präzise Zahl zu nennen.

Das gute daran ist, wir brauchen erstmal keine präzise Zahl. Es geht ja immer noch um eine Näherung.

Also gehen wir das mal im Kopf durch:

  • Es leben ca 8 Milliarden Menschen auf der Welt (Stand: 2022)
  • Etwa 5 Milliarden Menschen haben Zugriff auf das Internet
  • Etwa 2-3 Milliarden Menschen sind im Alter von 18-50.

Somit wäre der gesamte adressierbare Markt (TAM) mit ~2 Milliarden Menschen einzuschätzen. Zum Beginn jeder neuen Software sollte man aber nicht mit dem gesamten Markt rechnen, sondern mit den frühzeitigen Anwendern - den Pionieren, Forschern und Entdeckern. Als Daumenregel kann man dafür immer mit 16% rechnen.

Early Adopter:

2 Milliarden x 0.16 = 320 Mio

Man sieht auf den ersten Blick 320 Millionen sind mehr als 1 Millionen benötigte Mäuse. Allerdings sollte man zur Sicherheit immer noch die typischen Conversion Rates hinzu ziehen. Eine durchschnittle SaaS Software kann 1-3 % der Besucher zu Kunden konvertieren.

Das wären dann immer noch fast 3 Millionen Kunden.

Finale: Letzter Test

3 Millionen erwartete Kunden > 1 Millionen benötigte Mäuse.

💸 💸 💸 💸 Simulation erfolgreich beendet. 💰 ✅


Was wir davon lernen können?

ChatGPT nutzt ein Freemium Model. Es hat vor kurzem ChatGPT Plus angekündigt, was für 20$ pro Monat verkauft wird. Damit erhält man einen priorisierten Zugriff auf den Chat.

Tipp: Mach kein Freemium Model.

Das größte Risiko bei einem Freemium Model sind immer die zahlenden Kunden. Die kostenlosen Nutzer können dich sehr stark ablenken, verlangen häufig viel Support und geben dir keine starken Signale - egal was sie sagen. Fange lieber mit einem puren Modell an und integriere kostenlose Accounts, nachdem du dir sicher bist, dass deine Traktion gut ist.

ChatGPT Plus

ChatGPT hat bisher etwa 100 Millionen Nutzer. Bei der Konversion zwischen Free Usern und Kunden (die bezahlen) liegen typische Werte bei etwa 1-5%. Spotify ist ein positiver Ausreißer mit etwa 27%.

Wenn wir das pessimistisch durchrechnen mit 1% Conversion hätten wir genau die 1 Millionen benötigte Mäuse, damit das Geschäftsmodell immer noch das Ziel von 100 Millionen € Jahresumsatz (ARR) erreichen kann.

Das ist Wahnsinn für den ersten Monat. Sowas habe ich bisher noch nicht gesehen.

Starte jetzt deinen Simulationstest 📈